Sherlock Holmes in Rio by Jô Soares

Sherlock Holmes in Rio by Jô Soares

Autor:Jô Soares [Soares, Jô]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-05-19T22:00:00+00:00


Der Kommissar Mello Pimenta zückte sein weißes Batisttaschentuch und wischte sich zum wiederholten Mal die Stirn ab. Wegen Hitze transpirierte er nie; Anlaß für seinen Schweißausbruch waren die Vorhaltungen, die ihm sein Chef gerade machte. Er stand im Büro der Polizeizentrale im Gebäude der Rua do Lavradio 36, in dem sich auch sein Kommissariat befand. Eine lästige Fliege summte ihm um den Kopf. Der Polizeipräsident Coelho Bastos saß an seinem mächtigen Mahagonischreibtisch und strich sich über den Schnurrbart, während er harsch zu Pimenta sprach, ohne ihm in die Augen zu sehen:

»Ich befinde mich in einer ziemlich heiklen Situation, verstehen Sie. Die Zeitungen haben den Raub der kaiserlichen Juwelen bis heute nicht vergessen.«

Coelho Bastos bezog sich auf die Juwelen der Kaiserin Leopoldina, der Baronin Fonseca da Costa und der Prinzessin Isabel, die vor ein paar Jahren aus dem Palast verschwunden waren, als noch sein Vorgänger amtierte. Später war bei Hof zu erfahren, daß der Dieb Manuel Paiva war, ein Bruder von Pedro de Paiva, dem Sekretär des Kaisers für amouröse Angelegenheiten, und die Sache wurde vertuscht, doch Bastos hatte die von O Mequetrefe veröffentlichten Karikaturen noch allzu deutlich vor Augen.

»Als reichte es nicht schon, daß ich von der gestohlenen Stradivari erst aus der Zeitung erfahren habe. Anscheinend traut Dom Pedro seinem Polizeichef nicht einmal mehr zu, den Diebstahl einer Fiedel aufzuklären. Und um die Sache noch komplizierter zu machen, taucht dann noch ein Mörder auf.«

»Ein serial killer«, korrigierte Mello Pimenta.

»Ein was?« fragte der Polizeichef.

»Ein serial killer. So hat Sherlock Holmes diesen Verbrecher genannt, der in Serie mordet«, antwortete Pimenta und verscheuchte die Fliege, die sich ihm jetzt auf die Nasenspitze gesetzt hatte.

»Sherlock Holmes. Noch ein Beweis für das mangelnde Vertrauen Seiner Majestät. Ich verstehe nicht, wozu wir hierzulande einen englischen Detektiv brauchen«, maulte Coelho Bastos und versuchte, dieselbe Fliege mit seinem Tintenlöscher auf dem Tisch zu erschlagen.

»Ich bitte um Verzeihung, aber ich meine, daß wir in diesem speziellen Fall auf jede mögliche Hilfe zurückgreifen müssen. Dank Sherlock Holmes wissen wir inzwischen, daß der Geigendieb und der Mörder ein und dieselbe Person sind.«

»Was wissen wir noch?«

»Sehr wenig. Ich habe im Palast Erkundigungen über das arme Ding eingeholt, das am Brunnen umgekommen ist. Sie war Waise, wurde vom Onkel unterstützt und führte, wie man mir sagte, ein ruhiges Leben. Sie hatte weder Freundinnen noch einen Verehrer. Meistens war sie allein und las französische Schnulzenromane. Das typische stille, anständige Mädchen.«

»Und die andere, die aus der Rua do Regente?« fragte Coelho Bastos.

»Das genaue Gegenteil. Ich war in dem Freudenhaus, in dem sie arbeitete. Dort habe ich mich mit dem Verwalter des Hauses unterhalten, einem Abartigen, den sie ›Madames Arsch‹ nennen und vor dem die Mädchen keine Geheimnisse haben. Er sagte, die Dirne habe, obwohl sie noch keine achtzehn war, viel getrunken und es mit jedem getrieben. Sie hatte keine festen Freier.«

»Und was ist mit unseren üblichen Informanten?«

»Von der Seite sollten wir uns nichts erhoffen. Ich sage Ihnen, Dr. Coelho Bastos, es wird nicht einfach, den Kerl zu entlarven, denn er mordet ohne jedes Motiv«, schloß



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